DER MAENNERCHOR ALS KULTURTRÄGER
Trotz bescheidener Mittel hat s'ich der Männerchor Bolligen stets bemüht, seiner Rolle als Mitgestalter am kulturellen Leben im Dorf gerecht zu werden. In den ersten Jahren seiner Tätigkeit kam ihm sogar neben den Schützen eine Vorreiterrolle zu. Es ist aus der geschichtlichen Entwicklung heraus auch naheliegend, dass er bis zur Gründung des Kirchenchores einen wesentlichen Teil seiner Tätigkeit auf den Kirchengesang verlegte. Auch bei markanten Etappen in der Entwicklung von Bolligen hat er seinen aktiven Beitrag geleistet. Aktenkundig sind etwa 1864 die Einweihung des „neuen" Schulhauses an der Habstettenstrasse, 1877 die Einweihung des neuen Friedhofes, und 1925, zusammen mit anderen Vereinen, die Einweihung der neuen Kirchenglok ken.
Seine enge Verbundenheit mit den Nachbardörfern kommt etwa darin zum Ausdruck, dass er 1896 bei den Fahnenweihen in Stettlen und Zollikofen als Pate auftreten durfte. 1881 wurde gar beschlossen, alle 2 Monate mit den Männerchören Ostermundigen und Papiermühle gemeinsame Proben durchzuführen, ein edler Gedanke, der leider nie zur Tradition wurde. 1891 legte sich der Männerchor Bolligen mächtig ins Zeug um die 600-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft zu organisieren. Mit Böllerschüssen und benga lisch beleuchteten Stockeren-Flühen fand die Feier auf der Stockerenschütte statt.
Nach der Gründung des heutigen Gemischten Chores 1887 wurden fortan alle unter dem Titel „Gesangvereine Bolligen" figurierenden Anlässe im Dorf gemeinsam organisiert.
Während Jahrzehnten gehörten das Neujahrssingen in der Kirche, die Teilnahme an der l.August-Feier und am Ausschiesset sowie die Umrahmung der Anlässe anderer Dorfvereine zum normalen Jahresprogramm des Männerchors. Dies ergab bisweilen eine ansehnliche Reihe von öffentlichen Auftritten. Nehmen wir als Beispiel das Jahr 1926:
01.01.Neujahrssingen in der Kirche
04.01. Installation von Herrn Pfarrer Marti
14.03. Veranstaltung des Bürgervereins Bolligen
18.04. Sängertag Köniz
13.05. (Auffahrt) Kirchliches Bezirksfest Bolligen
15/16.05. Kantonales Gesangfest Interlaken
24.07. Kantonales Schützenfest Ostermundigen
01.08. Bundesfeier
05.09. Basar Frauenverein Bolligen
30.09. Gabenverteilung Schützengesellschaft Bolligen
14.10. Herbstausflug Utzigen (3 Auftritte).
12.12. Delegiertenvers. Kreisgesangverband in Bolligen
Mit dem Einzug in das zweite Jahrhundert seines Bestehens trat derMännerchor bei der Organisation allgemeiner öffentlicher Anlässe in das zweite Glied zurück, das Zepter jenen überlassend, die zahlenmässig und materiell wesentlich leistungsfähiger waren. Um so besser konnte er sich fortan der Pflege des Gesanges widmen und auf ein weiteres Kulturgut, das Dorftheater, konzentrieren.
'Der Ruethof' von Karl Grunder (1961)
Feiern mit anderen Ortsvereinen tragen dazu bei, die Kontakte zwischen Generationen enger zu knüpfen. (1925 mit der Musikgesellschaft Habstetten.)
DER MÄNNERCHOR JUBILIERT
In würdigem Rahmen hat der Männerchor Bolligenjeweils seine "runden" Geburtstage gefeiert. Gleichwohl ergeben sich Nuancen, die auch einen Eindruck vermitteln vom jeweiligen Zeitgeschmack.
Der 50. Jahrestag der Gründung wurde 1895 in Anwesenheit von 3 Gründungs mitgliedern und einer ansehnlichen Schar Ehemaliger durchgeführt. Aktiv beteiligt waren der kurz zuvor neu gegründete Gemischte Chor Bolligen und der Männerchor Papiermühle, mit welchen über viele Jahre hinweg enge freundschaftliche Beziehun gen bestanden.
Den Zeitumständen entsprechend mussten sowohl das 75. als auch das 100. Jubiläum um einige Jahre verschoben werden.Man stand am Ende von Weltkriegen, es galt vorerst, Schritt zu nehmen und zu einem "normalen" Leben zurückzufinden.
So ging das 75-jährige Jubiläum 1922 über die Bühne im Rahmen eines grossen Konzertes des Männerchors und befreundeter Chöre. Zur 100-Jahr-Feier wurde am 7. April 1946 in die Kirche Bolligen geladen. An einem glanzvollen Konzert und am 2. Teil im Restaurant Sternen wirkten der Gemischte Chor Bolligen und der Männerchor Ostermundigen als Patenvereine sowie Männerchöre und Gemischte Chöre aus den umliegenden Orten mit, ferner die Musikgesellschaft Habstetten, Turner und Schützen. 1969 war der 125. Geburtstag fällig. Bewuisst wurd er in einem schlichten Rahmen im Rest. Sternen gefeiert in Form eines Familienabends mit dem Gemischten Chor Bolligen.
DER MAENNERCHOR UND SEINE FINANZEN
Im Verlaufe der Jahre entwickelte sich die lose Sängergruppe zu einer fest gefügten Körperschaft. Man war stets bestrebt, auch im Haus drin Ordnung zu halten. So wurden - zumindest auf Grund der Statuten des Jahres 1871, verspätete Proben besucher mit einer Busse von 10 Rappen bedacht, bei unbegründeten Absenzen waren 20 Rappen fällig, dies bei einem Mitgliederbeitrag von 50 Rp. pro Monat und einem einmaligen Eintrittsgeld von Fr.1.50. Wie weit diese Bestimmungen auch eingehalten worden sind ist leider nirgends festgehalten. Wussten Sie übrigens, dass der Kassier alle die Jahrzehnte hindurch den Jahresbeitrag von Haus zu Haus bei rund 120 Aktiven und Passiven eingesammelt hatte, bis man sich in den 50er Jahren - dieses Jahrhunderts - entschloss, ein Postcheck-Konto zu eröffnen!
Häufiger Stein des Anstosses war der unbefriedigende Zustand des Sternen-Saales. Gegen Ende des Jahrhunderts spitzte sich offenbar die Lage zu, und ultimativ, unter Androhung des Boykotts, musste die Erhöhung der Decke zur Verbesserung der Akustik und der Einbau einer Bühne für die Aufführungen durchgesetzt werden. Auch von nicht näher beschriebenen Krisen in der Kasse ist in den Jahren 1915 -1918 und 1932 -1934 die Rede. Freudig begrüsst wurde dafür der erstmals 1962 zugesprochene Gemeindebeitrag von 200 Franken, der in der Folge in angemessener Weise angepasst worden ist.
Die Dorfvereine wissen diese Geste der Behörden zu schätzen und sollten sie ihrerseits als Verpflichtung betrachten, ihren Beitrag an der Pflege der Kultur zu leisten. Der Männerchor tat dies im Rahmen seiner Möglichkeiten, durch die Mitwirkung bei öffentlichen Anlässen, aber auch durch Wohltätigkeitskonzerte, z.B. zu Gunsten der Waldau, des Inselspitales, des Vereins für das Alter oder zur Hilfeleistung an Brand- und Unwettergeschädigte im Dorf oder in der Umgebung, 1918 auch zu Gunsten der Arbeitslosen.
Neben den Konzerten und Theateraufführungen dienten zeitweilig auch Lotto-Veranstaltungen zur Aufbesserung der Kasse. Sie wurden ab 1963 zusammen mit dem Gemischten Chor im Sternen organisiert. Während vielen Jahren ergab sich daraus ein komfortabler Zustupf. Doch waren die Gesangsvereine mit ihrer vergleichsweise kleinen Mitgliederzahl der Konkurrenz nicht gewachsen. Die letzten derartigen Veranstaltungen gestalteten sich zu eher vereinsinternen Anlässen. Profitiert haben wohl in erster Linie die Wahrenlieferanten....Nach dem letzten Lotto im alten Schulhaus beschloss man 1991, diese Uebung abzubrechen.
Das Kapitel Finanzen wäre aber unvollständig, wenn die wichtige Rolle der Passiv-Mitglieder hier nicht vermerkt würde. Es sind jeweils an die 50 bis 60, oft ehemalige Sänger, die den Aktiven im Hintergrund den Rücken stärken, für den Besuch der Veranstaltung werben und völlig freiwillig auch dazu beitragen, das Schifflein des Männerchors auf Kurs zu halten.
DER MÄNNERCHOR PFLEGT DIE GESELLIGKEIT
Zur Erfüllung dieses in den Statuten verankerten Zweckes hat sich der Männerchor Bolligen im Verlaufe der Jahre einiges einfallen lassen.An erster Stelle erwähnen wir die Reisen. Am Anfang waren dies in Anbetracht der damaligen Beförderungsmittel kleine Abenteuer, über die Christian Hauswirth in seiner Chronik zum 100 jährigen Bestehjen des Männerchors genüsslich und detailliert berichtet. Ein Ausflug mit dem (damaligen) Gemischten Chor führte 1857 nach Interlaken, ein anderer 1877 auf die kleine Scheidegg, notgedrungen zu Fuss ab Lauterbrunnen. 1895 wurde die Schynige Platte bezwungen und dabei der 2 Jahre zuvor in Betrieb ge3setzte 'Choli' eines verächtlichen Blickes gewürdigt. Im Januar 1923 konnte man sogar mit 20 Schlitten eine Schlittenfahrt nach Muri-Münsigen-Worb wagen. Im Sommer wurde oft ein Ausflug per Break organisiert. Die vermutlich längste Reise führte 1930 während 3 Tagen nach Zermatt und Gornergrat. 1939 war die unvergessliche 'Landi' in Zürich an der Reihe.
Ein Merkmal haben diese Ausflüge gemeinsam: man nahm sich Zeit zu beschaulichem Wandern, aber auch zu ausgiebigen Mahlzeiten und zum Anfeuchten der Kehle vor dem Gesang auf der Bergspitze oder in der heimeligen Alphütte.
Gewiss haben sich die Zeiten geändert, der Stress drückt den Anlässen seinen Stempel auf, ab er auch der jetzige Männerchor weiss Ausflüge an historische Stätten zu schätzen und zu geniessen. Wer erinnert sich nicht an den Besuch der allerdings arg
verregneten "Welttheaters" in Einsiedeln (1987), an die Reise auf den "Chapeau Napoleon" (1990) oder zum "Weg der Schweiz" (1992). Der Reiz besteht darin, die verschiedensten Verkehrsmittel interessant zu kombinieren, die Bedürfnisse der jung gebliebenen mit jenen der älteren oder gar an den Rollstuhl gebundenen zu verbinden. Dass dabei auch die Witwen verstorbener Sängerkameraden freudig mitmachen, gehört ebenso zur schönen Tradition.
Hoch im Kurs waren in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts die Familienabende. Meist fanden sich die Mitglieder und ihre besseren Hälften bei einem der Sängerkna ben zu einem gemütlichen Höck mit Eigengebäck und einem edlen Tropfen. Mitunter gestalteten sich diese Zusammenkünfte auch zu einem eigentlichen gesellschaftlichen Anlass, aufgewertet durch die Anwesenheit namhafter Persönlichkeiten. 1925 war es Karl Grunder, 1931 Simon Gfeller, welche dem Männerchor die Ehre gaben und durch Vorlesungen aus ihren Werken den Abend bereicherten.
Hier einzureihen ist auch das Spiessbraten, das jeweils in den 70er Jahren an einem schönen Sommerabend an einem Waldrand oder bei einer Waldhütte für die Sänger familie organisiert worden sind. Auch diese Anlässe haben wesentlich dazu beigetra
gen, die Freundschaftsbande noch enger zu knüpfen.
Der Männerchor Bolligen im Jubiläumsjahr 1994
von links; sitzend: Kurt Hunziker, Ernst Grossenbacher, Hugo Moser, Hans Küng, Fritz Aeschlimann, Hans Wyss, Walter Rutschi, Fritz Sterchi;
stehend: Helmuth Sulzer, Paul Steiner, Peter Hofer, Hans Mäder, Walter Künzi, Peter Kiener, Marianne Kobel, Walter Bienz, Felix Kiser, Thomas Merz, Fritz Gerber, Peter Sterchi, Alfred Keusen.
Hans Graf
hansgraf@bluewin.ch
Tel. 031 921 00 97
Krauchthalstrasse 6
3065 Bolligen
Dienstag Abend 19.30 Uhr bis 21.00 Uhr
Vereinslokal Dorfverein, Habstetten
(hinter Restaurant Linde)