wie es begann

Der Männerchor wird geboren

In den 30er und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts genoss man in der Schweiz, nach dem Untergang der alten Eidgenossenschaft und der napoleonischen Zeit, die neu gewonnenen Freiheiten in vollen Zügen. So fanden sich überall im Lande Schützen, Turner und Sänger in kameradschaftlichen Vereinigungen.Im Dezember 1844 trafen sich neun Männer aus der damaligen Gemeinde Bolligen,d.h. also auch aus lttigen und Ostermundigen, um den Gesang zu pflegen. Wenige Monate später waren es bereits 16, die in offensichtlich lockerer Form ihre Uebungen abhielten. Mit Statuten, Vorstand und einer klaren Vereinsordnungliess man sich Zeit bis 1858.

„zweck ist sowohl Hebung des Kirchen- und Volksgesanges, als auch Förderung des traulichen gesellschaftlichen Lebens und Entfaltung einer angemessenen Freundschaft unter den Mitgliedern"

heisst es in Art. 1 der ersten Statuten.

Es lag dem Verein offensichtlich daran, einen Beitrag zum kulturellen Leben im Dorf zu leisten. Wie wohl in jedem Verein hat es im Verlaufe der Jahre manches Hoch, aber auch manches Tief gegeben, Tage, da man voller Stolz Auszeichnungen an die Vereins­ Fahne heften konnte, aber auch Zeiten, wo man sich fragen musste: ,,wie weiter?"

Versuchen wir, einige Abschnitte aus dem Leben des Männerchores Bolligen fest­ zuhalten. Zu dieser Geschichte in Stichworten - denn um mehr kann es sich nicht handeln - gehört auch das Umfeld, in das der Männerchor hineingewachsen ist. Als Quelle dienten uns neben Protokollen, Jahresberichten und einzelnen historischen Berichten namentlich die Chronik „100 Jahre Männerchor Bolligen", aus der Feder unseres verstorbenen Ehrenmitgliedes Chr. Hauswirth, ferner die hervorragende Geschichte von Bolligen, 1982 verfasst von Dr. h.c. K.L. Schmalz.

 

Gesang als Kulturgut

Gesang war wohl immer ein intimer Freund und ständiger Begleiter des Menschen, hat mit ihm Freud und Leid geteilt. Stand im Mittelalter bis in die neuere Zeit der Kirchengesang im Vordergrund, so sind bereits vor der Französischen Revolution einzelne Chorkonzerte mit profanem Liedergut durchgeführt worden. Anfangs des 19. Jahrhunderts erlebte der Volksgesang, gefördert durch einzelne begnadete Persönlich­ keiten, etwa durch den Sängervater Johann Georg Nägeli, eine eigentliche Blütezeit..

Es lag durchaus im Trend der Zeit, dass die Tagsatzung in Zürich 1813 durch Männerchorvorträge eröffnet wurde. Die periodischen überregionalen Sängerfeste wuchsen zu gesellschaftlichen Ereignissen mit bis 3000 Teilnehmern heran. Dem 3.Sängerfest 1864 in Bern fiel gar der Chor-Lettner im Münster zum Opfer, der fast 300 Jahre zuvor speziell für den Psalmengesang errichtet worden war; damit wollte man Platz gewinnen für die grosse Festbühne mit Mitwirkenden aus der ganzen Schweiz. Dass Gesang aber auch ein wichtiges völkerverbindendes Element darstellt, zeigte sich auch am Sängerfest 1850 in Luzern, als - wenige Monate nach dem Sonderbunds­ krieg - die Sänger aus der Westschweiz und aus dem Bernbiet bei ihrem Zug durch das Entlebuch feierlich und brüderlich empfangen wurden.

 

Das war die Welt, in die hinein der Männerchor Bolligen „geboren" wurde. Er befand sich dabei in guter Gesellschaft. Bereits 1849 half er, zusammen mit Gesangvereinen aus Bümpliz, Kirchlindach, Ostermundigen, Köniz, Uettligen, Wohlen, Boll und Meikirch den Kreis-Gesangverband Bern-Land gründen*).

 *) Es muss sich dabei, mit Ausnahme des Männerchores Bolligen, um Vorgänger heutiger Vereine handeln. In der Festschrift zur Jahrhundertfeier des Kreisgesangverbandes von 1949 wird einzig Bolligen als Verbandsverein aus jener Zeit aufgeführt. Die nächst jüngeren, der Männerchor Stettlen und der Gemischte Chor Uettligen, figurieren mit Gründungsjahr 1856 bzw. 1860.

 

und wie sah es in Bolligen um 1844 aus?

Der  Begriff der „Einwohnergemeinde Bolligen" war auf Grund gesetzlicher Erlasse um 1830 geschaffen worden, und umfasste etwa jenes Gebiet, aus dem 1983 die drei selbständigen Gemeinden Ittigen, Ostermundigen und Bolligen entstanden sind. Die internen Verhältnisse, die Grenzen und Kompetenzen blieben unübersichtlich, die Gewaltentrennungzwischen Kirche und Staat warnoch kaum vollzogen. Es bestanden nicht weniger als 16 Unterabteilungen, wovon 10 aufBolligen und seine Dorfschaften· entfielen. Nur Ittigen bildete damals bereits eine gewisse Einheit.

 

Die Einwohnergemeinde zählte im Jahr 1850 gegen 3250, die Viertelsgemeinde Bolligen 1836, das Dorf Bolligen 430 Einwohner. Damit wurde es von Habstetten überflügelt. Man stand damals vor der Blütezeit der Sfainbrüche in der Stockeren. Der von der Gemeinde gebaute „Sternen" war gerade 10 Jahre alt und wurde 1860 den Vorfahren der heutigen Besitzer verkauft. Die Kinder drückten noch während vielen Jahren die Schulbank im "Grüssi-Haus", weit über 100 im gleichen Schulzimmer; zugekaufte Nahrungsmittel und Güter bezahlte man in Kronen, Kreuzern und Batzen. Das Bächlein aus dem Lutertal wurde nach einem genauen Zeitplan zum Wässern der Matten benutzt...

 

DER MAENNERCHOR BOLLIGEN UND SEINE FAHNEN

Was ist ein Verein ohne Banner?

Schon früh haben die Gründer des Männerchors Bolligen erkannt, wie sehr die Fahne als Symbol der verbindenden Kräfte zu betrachten ist, das über die Jahre hinweg Freude und Leid mit den Vereinsmitgliedern teilt, uns tröstet und mahnt.

Unter der ersten „Fahne" nahm der Männerchor Bolligen teil am Sängertreffen in Bümpliz, im geschichtsträchtigen Jahr 1848. Ein rotes Stück Baumwollstoff wurde an eine Stange befestigt, auf der einen Seite ein Schweizerkreuz aufgenäht, auf der anderen der Vereinsname mit Schablonenbuchstaben aufgeklebt. Auf dem Rück­ marsch durch Bern hielt die Konstruktion dem aufkommenden Sturmwind nicht stand, die meisten Buchstaben lösten sich, so dass die Passanten eifrig zu rätseln begannen, wem wohl das stolze Banner gehöre...

 

1881 wurde zwecks Beschaffung eines richtigen Vereinsbanners eine Sammlung durchgeführt, so dass die Kosten von Fr. 120..- gedeckt werden konnten. Im Rahmen einer Abendunterhaltung wurde die Fahne eingeweiht, und beinahe 3 Jahrzehnte hat sie überstanden. Doch trotz verschiedener Massnahmen - die Fahne wurde geflickt, verkleinert, die Fransen verkürzt - schlug, ausgerechnet anlässlich der Fahnenweihe des Turnvereins Bolligen im Juni 1921, ihre letzte Stunde; sie fiel auseinander.

 Erst 1925 machte man sich daran, ein neues Vereinsbanner zu beschaffen. Der offizielle Vorschlag kantonaler Gremien fand kein Gefallen, so dass das Bild der Fahne, die uns bis zu unserem Jubeljahr die Treue gehalten hat, aus eigenen Ideen stammt. An­ lässlich einer denkwürdigen Feier mit dem Gemischten Chor Bolligen und dem Männerchor Ostermundigen als Paten und zahlreichen geladenen Gast­ vereinen wurde die Fahne ihrer Be­stimmung übergeben.


DER MAENNERCHOR UND SEINE MITGLIEDER

Der Männerchor Bolligen hatte nie den Ehrgeiz, zu den „Grassen" zu gehören. Der Bestand an Aktivmitgliedern widerspiegelt das Auf und Ab in seiner Geschichte. Über die Jahre hinweg sind nur geringe Schwankungen aufgetreten, mit etwa 20 bis 25 Aktiven, allerdings mit einer erstaunlich hohen Mutationsrate. So konnten nach der Jubiläumsfeier zum 75 jährigen Bestehen 20 neue Mitglieder begrüsst werden. Kurz darauf waren andererseits 6 Austritte zu verzeichnen. Der Höhepunkt im Bestand wurde wahrscheinlich gegen Ende der 20er Jahre erreicht. Im Dezember 1926 zählte man 11 Ehren- und 48 Aktivmitglieder, ferner 108 Passive.

 

Die Mitgliedschaft wurde früher als Ehrensache betrachtet. Wer um den Beitritt angefragt werden sollte, bestimmte der Vorstand. Es wurde erwartet, dass der Angefragte auch erscheine. Hier scheint wohl auch eine gewisse, aus der Geschichte erklärbare Ehrfurcht vor der „Obrigkeit", aber auch eine bestimmte soziale Rang­ ordnung im Dorf mitzuschwingen, die aus dem damaligen Zeitgeist zu verstehen ist...

 

Aber auch die Schattenseiten dieser relativ starren Ordnung sind nicht zu übersehen. Mehrmals stand beim Männerchor Bolligen, in Anbetracht des schlechten Proben­ besuches, die Frage der Auflösung des Chores auf der Traktandenliste, namentlich in den ersten 50 Jahren seines Bestehens. Man besann sich jeweils nach eingehender Diskussion eines Besseren und versprach, bei der Stange zu bleiben.

 

Bolligen 1934

Aus dem Verzeichnis der leitenden Organe des Vereins ist auch ersichtlich, wie die Chargen oft während Jahren in der gleichen Hand blieben. Dies zeugt vom gegensei­ tigen Vertrauen, aber auch von der Treue zum Verein, vom Engagement für die Sache. Mit der Abnahme der Zahl der Aktivmitglieder ist der Probenbesuch besser geworden. Eine durchschnittliche Anwesenheit von 75 bis 80 % der Aktiven ist in den letzten Jahren die Regel gewesen; und bis zu einem Viertel können jeweils für eine Teilnahme an 95 bis 100 % der Proben und Auftritte einen Becher als Anerkennung in Empfang nehmen. Die Mehrzahl der Sänger stammte stets aus dem DorfBolligen. Von Anfang an gesellten sich aber auch Freunde aus den umliegenden Dorfschaften zu ihnen.

 

Bemerkenswert ist, wie sehr die Aktivmitglieder beruflich ein getreues Abbild der Bevölkerungsstruktur darstellen. Stellten während vielen Jahren Landwirte und Gewerbetreibende die grosse Mehrheit im Chor, so sind heute die verschiedensten Kreise anzutreffen, vom Landwirt über den Gewerbler zum Fachlehrer und zum Juristen, vom Wirt bis zum Beamten. Beachtlich ist aber auch, welche Talente bisweilen in den Mitgliedern aufblühen, wenn es um den Bau oder die Restauration der Kulissen, um die Anfertigung von Plakaten geht. Auf unsere Theaterleute werden wir noch zu sprechen kommen.

 

Der Männerchor 1933